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Pitch-Kultur – Nicht Jammern, das Chaos mit Charme meistern

Das Bild stammt aus meinem letzten Urlaub, es zeigt ein junges Paar auf einer Ausflugsinsel vor Hongkong.
von Jörg Pfannenberg – 08. January 2016

 

An einem Freitagabend ist der Strand dort voller junger Paare, die hier möglicherweise den ersten Kuß tauschen. Möglicherweise, denn manch einer fährt wohl ungeküsst wieder nach Hongkong Island zurück. Der Junge auf dem Bild hat sich etwas Besonderes ausgedacht, er zog am Strand eine Dose Seifenblasen aus der Tasche. Zu viel Aufwand für die Attraktivität? Möglicherweise. Aber vor allem ist es wohl charmant – wie man an dem Gesicht des Mädchens erkennen kann. Eine erfolgreiche Bewerbung.

Die Anzahl der Pitches steigt weiter an und wird weiter zunehmen. Kunden vergeben ihre Etats immer kleinteiliger, ziehen immer mehr Spezialisten heran. Dadurch sinken die Honorare für die einzelnen Dienstleister nach Auftragsvergabe. Dazu kommt: „Die meisten Pitches in Deutschland sind Schwachsinn!“ so Pitch-Berater Oliver Klein von Cherrypicker in Horizont (3. Januar 2016). Und weiter:


Die Fähigkeit des Instrumentes Pitch wird massiv überschätzt. Er ist immer seltener ein geeignetes Mittel. (…) Das hängt mit den immer größer werdenden Anforderungen an Kommunikationslösungen zusammen. Mit ihnen steigt auch die Herausforderung an Marketingabteilungen, Aufgaben und Ziele vollumfänglich in einem Briefing zu formulieren. Vielen Kunden fehlt die strategische Kompetenz oder die Zeit für komplexe Aufgabenstellungen. Die Vielzahl an digitalen Kommunikationsmöglichkeiten überfordert sie. Sie haben selbst keine Visionen und Ziele und lassen deswegen pitchen. Doch kein Pitch kann in nur wenigen Wochen eine Lösung für ein Problem liefern, an dem der Kunde und seine bisherige Agentur bereits seit Monaten knabbern. Da braucht es mehr Zeit und mehr Entwicklungsstufen.


 

Mutig von Oliver Klein in seiner Position, dass er dies über seine Kunden so offen sagt. Seine Beobachtungen kann ich teilen. Aber ist es hilfreich, sich damit zu beschäftigen?


Gehört es denn nicht zu Ihren Aufgaben, Unternehmen das zu erklären? Richtig, aber es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Auch Agenturen müssen Kunden gegenüber ehrlicher sein und viel mehr Aufklärung betreiben, welche Ergebnisse ein Pitch überhaupt liefern kann. Sie dürfen keine falschen Hoffnungen schüren.


 

Die Marktbedingungen sind für alle Agenturen dieselben, und der Markt wächst nach wie vor. Dabei kann es auch um nachhaltiges Verhalten gehen, aber wohl kaum um „Aufklärung“. Versuche, den Agenturwettbewerb zu zähmen, hat es schon immer gegeben. Noch nie mit Erfolg, denn dazu ist der Markt viel zu attraktiv, sind die Markteintrittsschranken zu niedrig und ist das Veränderungstempo zu hoch. Standespolitik oder Aufrufe wie die von Oliver Klein gab es schon immer, sie haben noch nie etwas bewirkt.


Agenturen wünschen sich mehr Wertschätzung ihrer Arbeit. Dass der Weihnachtsmann sie bringt, bezweifle ich.


 

Aber die Agenturen sind auch die falsche Adresse. Auch der Wunsch nach Workshops statt nach Credentials-Präsentationen und Ideen-Wettbewerben ist mindestens 20 Jahre alt – was hält die Agenturen davon ab, statt Ideen vorzustellen mit dem Kunden einen Workshop zu starten? Die Frage ist und bleibt doch: Warum sind einige Agenturen erfolgreicher als andere. Wie und was sprechen die Berater, in welchen Formaten? Und welche innovativen/kreativen Leistungen stehen dahinter? Es wird unsortiert weitergehen – am besten, wir stellen uns darauf ein. Mit originellen, charmanten Ideen.