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Professionelle Störgeräusche

von Oliver Chaudhuri – 10. April 2014

 

Da wir hier ja unter uns sind, gestehe ich jetzt ‚mal eine Marotte von mir: Zu einer angenehmen Rasur gehören für mich neben einer scharfen Klinge auch ein aufgeladener iPod. Ohne geht’s nicht! Denn wenn ich da so im Bad stehe, stecke ich das gute Stück auf die Docking-Station, starte die „tagesschau“-App und lasse mich berieseln (mein Tipp: „tagesschau vor 20 Jahren“!).

Kürzlich lief erneut eine Folge des wöchentlichen Talk-Vodcasts „Deppendorfs Woche“. Und plötzlich hielt ich inne und unterbrach das muntere Klingen-Schwingen. Warum? Spitzen Sie doch mal bitte Ihre Ohren und achten Sie darauf, was ab Minute 3:03 langsam anschwellend im Hintergrund zu hören ist …

Ich glaube, dass es so ein Video unter dem Banner der ARD noch vor wenigen Jahren niemals gegeben und die Ansage bei derartigen Zwischentönen „Nochmal alles zurück auf Anfang“ gelautet hätte. Aber unsere Seh- und Nutzungsgewohnheiten haben sich durch die Kommunikation im Web radikal gewandelt: Authentizität ist Trumpf und schlägt „Styling“! Hier unterhalten sich zwei Menschen über eine komplexe Fragestellung. Ohne Skript, ohne Teleprompter, „in einem Rutsch durch“ – und lassen sich dabei durch nichts stören …

Was glauben Sie? Beschädigt die Machart dieses Vodcasts die altehrwürdige Marke „tagesschau“, senkt sie die Qualitätsstandards und ist der Clip mangelhaft produziert? Oder ist das vielleicht ein gelungenes Beispiel dafür, wie eine Instanz wie die ARD sich und ihre Medienangebote weiterentwickelt und neue Wege geht, um die stetig wachsende Web-Community zielgruppenaffin anzusprechen? Was wäre die Reaktion Ihrer Stakeholder, wenn Sie ein Video mit Hintergrundgeräuschen veröffentlichen würden?

Wir raten zu mehr Mut und ein Stück weit „Hemdsärmeligkeit“ in der Bewegtbildkommunikation. Konkret heißt das: Kurze Statements, „echte“ 1:1-Gespräche – selbst erstellt, ohne teure Filmcrew (zum Beispiel mit einem handelsüblichen Camcorder). Und wenn es mal wackelt oder nicht perfekt ausgeleuchtet ist: Die Zuschauer werden Ihre Aktivitäten trotzdem honorieren – wie sich an den Klickzahlen auf YouTube einfach nachweisen lässt.