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ChatGPT: Revolution in der PR?

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von Carola Brauweiler – 10. May 2023

„Introducing ChatGPT“ strahlt dem User in großen, grell pinken Buchstaben entgegen. Die Website von OpenAI ist offen zugänglich und lädt Besucher:innen ein, ihr neues Produkt auszuprobieren. Ein kleines Dialogfenster und eine Frage oder Aufforderung – mehr braucht es nicht, um eine Konversation mit dem Chatbot zu starten. Benutzer:innen können über Texteingabe mit dem Computer kommunizieren, ähnlich einem Chat. Doch was kann die KI? Wo sind ihre Grenzen? Und welchen Nutzen bringt der Chatbot in die PR? Wir waren bei einem Hybrid-Seminar der DPRG über den Chatbot dabei.

Am 30. November 2022 ist ChatGPT 3.5 freigeschaltet worden. Innerhalb von fünf Tagen konnte die Anwendung eine Million Nutzer:innen weltweit verzeichnen – Netflix brauchte für diese Zahl 1.300 Tage. In dem Seminar „A New Moonshot: ChatGPT“ der Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG) beschreibt Prof. Dr. Astrid Kruse, Dekanin Fachbereich Medien Kommunikationswissenschaft und -controlling bei der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), dass die Anwendung bereits nach kurzer Zeit Wellen geschlagen hat: „Schon im Januar hat ChatGPT 100 Millionen Nutzer generieren können und auch in Deutschland kannte GPT im Januar jeder Vierte. Das wird jetzt noch viel mehr Menschen betreffen, die mit diesem Begriff etwas anfangen können.“

 

Natürliche Sprache und selbstständiges Lernen: ChatGPT kurz erklärt

ChatGPT, kurz für "Chatbot Generative Pre-trained Transformer", ist ein Chatbot, der künstliche Intelligenz verwendet, um sich mit Menschen in natürlicher Sprache zu unterhalten.

So stellt ChatGPT sich selbst vor: „Hallo, ich bin ChatGPT, ein Sprachmodell, das von OpenAI auf Basis der GPT-3.5-Architektur trainiert wurde. Ich wurde programmiert, um auf Anfragen von Benutzern zu antworten und Informationen bereitzustellen, indem ich meine umfangreiche Wissensdatenbank und Sprachfähigkeiten einsetze. Meine Fähigkeiten umfassen das Erstellen von Texten, das Verfassen von E-Mails, das Analysieren von Daten, die Beantwortung von Fragen, das Schreiben von Inhalten und vieles mehr.“

ChatGPT wurde mit Millionen von Texten aus dem Internet, aus sozialen Medien, Online-Foren, Zeitungsartikeln und Büchern trainiert – deshalb „pre-trained“. „Aufgrund dieser Datensätze hat GPT ein großes Sprachmodell entwickelt“, erklärt Prof. Jochen Dickel, Professor und Forschungsdirektor Medien Virtual & Augmented Reality, von der FHM. Am Ende gibt es ein großes semantisches Netz, anhand dessen ChatGPT Vorhersagen treffen kann. Es handelt sich um ein auf Wahrscheinlichkeiten beruhendes Modell: Bei der Auswahl der Wörter entscheidet sich GPT dann für wahrscheinliche, realitätsnahe Assoziationen. So kann der Chatbot zum Beispiel komplizierte Sachverhalte einfach erklären, Gedichte, Nachrichten oder kurze Texte schreiben.

ChatGPT besteht aus

  • Natural Language Processing: Die Verarbeitung natürlicher Sprache ist ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz (KI), mit dem die Lücke zwischen menschlicher Kommunikation und den Sprachverarbeitungsfähigkeiten von Computern geschlossen werden soll. So kann ChatGPT mit Menschen kommunizieren, ganz gleich in welcher Sprache.
  • Deep Learning: Bei dieser Lernmethode für KI werden große Datenmengen herangezogen und analysiert, um eigene Prognose oder Entscheidungen treffen zu können. Das Ziel: Es sollen künstliche neuronale Netze entstehen, ähnlich dem menschlichen Nervensystem. So wird die KI in die Lage versetzt, selbstständig und ohne menschliches Zutun ihre Fähigkeiten zu verbessern. 
  • Habitus: „Nach der Eingabe kommt eine Antwort, die wir von bisherigen Chatbots nicht kennen. Was fällt auf? Er versteht unsere Sprache relativ genau und antwortet auch in natürlicher Sprache“, erklärt Prof. Dickel. „Bemerkenswert ist, dass er einen Habitus hat. Das ist das wesentlich Neue, der Wow-Effekt. Denn er spricht, wie ein Mensch und kennt Benehmen, Höflichkeiten.“
  • Iteratives Prompting: Mit Eingabeaufforderungen stellen die User den richtigen Kontext bereit und liefern so den Schlüssel für relevante Antworten. Die Antworten werden immer neu erstellt. Zehn Menschen mit derselben Frage bekommen zehn verschiedene Antworten.

 

Presseartikel, Blogbeiträge, Produktbeschreibungen oder Social-Media-Posts – es gibt viele Möglichkeiten, ChatGPT in der Kommunikation einzusetzen. Aber sollte es deshalb von Kommunikatorinnen und Kommunikatoren in ihrem Tagesgeschäft genutzt werden?

Das ist nicht so einfach zu bewerten. Da wäre das Problem mit den Quellen: Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass ChatGPT Quellen erfinden soll. Eine Überprüfung der Inhalte kann also schwierig bis unmöglich sein. Ein weiterer Punkt ist die fehlende Kreativität. ChatGPT ist bislang nur in der Lage, Dinge zu verarbeiten, die sich Menschen schon einmal ausgedacht haben, kann nichts völlig Neues erschaffen. Andererseits: Ist das für den Mensch noch möglich?!

Eindeutig für die Anwendung von ChatGPT im redaktionellen Arbeitsalltag spricht die Zeitersparnis. In ihrem Seminar zu ChatGPT haben Prof. Kruse und Prof. Jochen Dickel, Professor und Forschungsdirektor Medien Virtual & Augmented Reality, von der FHM, drei Möglichkeiten der Nutzung im Redaktionsprozess aufgezeigt:

  • Ideenfindung
  • Redaktion unter Berücksichtigung des gewünschten Schreibstils und Formats
  • Problemanalyse, Bedürfnisanalyse der Zielgruppe und Sentiment-Analysen.

Doch die Kolleg:innen der DPRG grenzen auch ein: Zurzeit ersetzt ChatGPT keine tiefgreifende Analyse, Recherche oder Redaktion. Aber: Es lassen sich Anhaltspunkte, Vorschläge und Inspiration daraus ableiten.

Wichtig zu beachten: „Je präziser die Eingabe – das Prompting –, desto besser die Ergebnisse“, erklärt Prof. Kruse. „Die Beurteilung, ob der Text inhaltlich passt und wie wir den finden, das liegt weiterhin in unserer Hand.“

 

Risiken: Wird ChatGPT bald verboten?

Datenschutz, Urheberrecht und Jugendschutz – das sind die Themen, die bei der Anwendung von KI mitbedacht werden müssen. Die DPRG warnt unter Datenschutzgesichtspunkten vor der Eingabe von unternehmensinternen oder sensiblen Daten. Denn sie fließen in die Trainingsdaten der KI mit ein und können dort ungeahnte Wege gehen.

Aber nicht nur der Datenschutz, sondern auch das Thema Urheberrecht wird derzeit in Kreisen, die sich mit der Regulierung beschäftigen, viel diskutiert. Momentan liegt das Urheberrecht nicht bei OpenAI: „Wenn ich KI benutze, um mir einen Text erstellen zu lassen, und daran weiterarbeite und es ausarbeite, dann beruht es auf meinen Eingaben, meinen iterativen Prompts“, bestätigt Prof. Dickel. Momentan wäre das Urheberrecht also bei dem, der es nach außen trägt. „Ein anderes Thema ist, inwiefern man ein Transparenzgebot befolgen und kennzeichnen sollte, dass der Text mithilfe von KI entwickelt wurde.“

Halten wir fest: ChatGPT hat sicherlich viele Vorteile, vor allem als Inspirationsquelle, aber menschliche Kreativität und das strategische Denken ersetzt es nicht. Mit den Worten von Timo Krupp, Teil des Vorstands der Landesgruppe NRW: „ChatGPT sorgt vielleicht dafür, dass weniger gedacht wird, aber nicht dafür, dass wir weniger denken müssen.“

 

Ausblick: Was ist mit KI noch möglich in der PR

Nicht nur ChatGPT, sondern auch andere Software-Systeme, die vor allem mit Bilddaten arbeiten, können zukünftig vermehrt Anwendung in der PR finden.

„Auf Basis von terrabyte-großen Bilddaten, die als Trainingsmaterial zur Verfügung gestellt wurden, sind solche Systeme in der Lage, neue Bilder zu generieren. Ähnlich wie bei ChatGPT gibt es einen Prompt, den ich eingebe, wo ich genau spezifizieren kann, was der Inhalt des Bildes sein soll und welche formalen Kriterien, wie Stil, Farbe oder Format, erfüllt sein sollen. Mit einem textlichen Briefing kann ich ein Bild entstehen lassen und anschließend anpassen“, erklärt Prof. Dickel. Programme, wie Midjourney oder Dall-E, generieren so auf Basis einer Bildregie mittels Prompting effektvolle Bilder.

Auch Bewegtbild lässt sich mittlerweile mithilfe von KI erstellen. Die User als Regisseur:innen spezifizieren Objekte, Akteure und Handlungen, die in dem Video eine Rolle spielen sollen. „Steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber teilweise schon sehr bemerkenswert“, betont Prof. Dickel. „Das lässt sich fortsetzen in Richtung 3D, Animation und Virtual Reality. Da ist noch ein weites Feld vor uns.“