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Style meets content – Trends im internationalen Magazin-Journalismus

von Jörg Pfannenberg – 18. April 2016

 

Seit Jahren kämpfen Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland mit sinkenden Auflagenzahlen. In etlichen Ländern ist das Verschwinden von journalistischen Printmedien sogar schon deutlich weiter fortgeschritten als in Deutschland – teilweise hat es diese Medien auch niemals in Breite gegeben. So lesen zum Beispiel in China mittlerweile mehr Menschen digitale Inhalte als Gedrucktes; Magazine werden im Alltag kaum gelesen.

Während in der westlichen Welt die Print-Auflagen von Tageszeitungen sinken, steigt die globale Auflage stetig an (größtenteils als Folge des Bevölkerungszuwachses z. B. in Indien). Die regionalen Unterschiede sind immens: Während in Asien, Afrika (inkl. MENA) und Latein-Amerika Zuwächse verzeichnen, entwickeln sich die Reichweiten in gesättigten Zeitungsmärkten rückläufig.

 

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Hier spielt natürlich auch die Verdrängung durch das Internet eine entscheidende Rolle. Neben der Rezeption von Nachrichten, Videos etc. führen die User ein virtuelles Sozialleben in Social Media Plattformen wie Facebook oder organisieren gleich ihren gesamten Alltag über Messaging-System wie WeChat – inklusive Überweisungen, Hotelbuchungen u.v.m. Vielerorts sind Smartphones* noch deutlich stärker verbreitet als in Deutschland (56 %), zum Beispiel in Singapur (88 %), Saudi-Arabien (86 %), Schweden (83 %), China (74 %) oder den USA (71 %) (*Quelle: Digieco 2015).

 

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Zeitungsshop im Bahnhof: In Deutschland noch gut bestückt, in vielen anderen Ländern nicht (mehr) existent.


Verschwinden werden die gedruckten Medien jedoch nicht ganz. Das besagt nicht nur das Rieplsche Gesetz, sondern zeigt auch die Unternehmenswirklichkeit. Gerade in Ländern mit ausgeprägten High-Kontext-Kulturen und hoher Schriftlichkeit (wie z. B. Deutschland und Schweiz) haben Corporate Magazine durchaus noch Bestand, zum Beispiel um Kunden ein haptisches Medium an die Hand zu geben oder Produktionsmitarbeiter ohne Internetzugang zu erreichen. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick in die internationale Magazinlandschaft. Sie spiegelt Rezeptionsgewohnheiten wider, die erfolgreich in Formate und Layouts übertragen wurden.
 

Hohe Varianz für maximale Attraktion
Außerhalb Europas gibt es Magazine vor allem für die gehobene Mittelschicht zu ausgewählten Themen wie Mode, Wohnen/Einrichten/Garten, Lifestyle, Fotografie, Geographie – alle mit hohem Fotoanteil, da es sich vorwiegend um Designthemen handelt. Weiterhin gibt es noch Reste der weißen Meinungsbildnerpresse in den USA (Newsweek, Forbes, Economist, MIT etc.). Diese Magazine zeichnen sich durch viele Bilder bei gleichzeitig hohem Textanteil aus: Große Aufmacherbilder stehen neben mehrseitigen Berichten. Bildstrecken mit Bildunterschriften, Illustrationen im Internet-Stil oder elaborierte Grafiken wie in Spielen begleiten lange Reportagen oder Fokusthemen. Dabei wird die Klaviatur journalistischer Berichtsformen voll ausgenutzt: Neben News und Hintergrundberichten erscheinen Interviews, Doppelinterviews, Best Cases, Reportagen, Essays, Glossen sowie Rankings, Kurzmeldungen und Zahlenspiele für die schnellere Rezeption. Die Einbindung des Lesers erfolgt zunehmend durch Umfragen, Rätsel und natürlich Hinweisen auf die Social Media Kanäle des jeweiligen Mediums oder Verlags.

Auffällig: die oft etwas kleineren Formate von internationalen Magazinen, teilweise in Tablet-Größe. Sie sichern hohe Portabilität (z. B. im Rucksack) und mobile Usability (z. B. aufgeschlagen im öffentlichen Nahverkehr) und docken damit direkt an die Vorteile von Mobile Devices an.

 

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Havard Business Review, Nov. 2015: Großflächige Bilder.

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Typografie als Gestaltungselement. Quelle: Wired, Nov. 2015



Web-Design erobert Print
Ebenfalls auffällig in internationalen Magazinen ist die Adaption typischer Web-Formate. Beispielhaft dafür stehen „Kachelseiten“ im Flat Design (viele Einzelbilder auf einer Seite). Auch hochselektive Darstellungen wie Infohappen –zum Beispiel Daten und Fakten auf einen Blick oder prägnante Kurz-Headlines/Subheadings sind den Rezeptionsgewohnheiten im Web entlehnt. Ungewöhnliche Typografie gewinnt als Gestaltungselement an Bedeutung. Magazine mit monothematischen Fokusthemen zeichnen sich oft durch eine durchgehende Bildsprache aus, die den Titel ästhetisch zusammenhält. Illustrationen (häufig im Retro-Style) und großflächige Symbolbilder sorgen für zusätzliche visuelle Emotionalisierung des Lesers.

 

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Multimedia Journalismus: kompakt und visuell-redaktionelle Inhalte auf Snapchat Discover. Quelle: Screenshots Scapchat

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Flat Design – aus dem Web ins Print-Layout. Quelle: Elle, Nov. 2015

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Illustrationen im Retro-Style. Quelle: Wired, Nov 2015



Folgerungen für betriebliche Medien
Was bedeutet dies für die Entwicklung von Corporate Medien, gerade wenn sie internationale Mehrwerte bieten sollen?

  • User in ihrer Lebenswelt abholen In vielen Industrieländern mit ausgeprägter Internet-Nutzung docken Online-Formate wie Web-Magazine besser an das Rezeptionsverhalten der Stakeholder an. Kompakte, hochvisuelle Medien im responsiven Webdesign sichern eine optimale Anzeige auf allen Endgeräten.
  • Thematische Vertiefung anbieten Print-Magazine können ein attraktives Zusatzangebot zur thematischen Vertiefung darstellen – gerade wenn es sich um erklärungsbedürftige Produkte oder Prozesse handelt. Dabei sollte eine hohe Varianz an Bildern/Illustrationen und Berichtsformen/Genres genutzt werden, um Attraktionswerte jenseits des Smartphones zu schaffen. Je nach Umfang des Magazins kann ein breit aufgestelltes Fokusthema als inhaltliche Klammer des Heftes fungieren.
  • Vom Erfolgsmedium lernen In Print-Magazinen empfiehlt es sich, attraktive Elemente aus dem Web zu adaptieren: portable Formate, Flat Design mit Kacheln, Bilder und kurze Bildunterschriften und komplexere Grafiken. Leser können durch grafisch gestaltete Tests oder Umfragen stärker einbezogen werden.